Euro-synergies
Ex: http://sachedesvolkes.wordpress.com
Rund
eine Milliarde Menschen, vor allem in den so genannten
„Entwicklungsländern“, leiden an Hunger oder Unterernährung; immer
wieder fordern Hungerkatastrophen Zehn- und Hunderttausende von Toten
und lösen wahre Völkerwanderungen aus. Das massenhafte Elend lässt die
Regierungen der regionalen wie globalen Großmächte jedoch kalt, von den
in der Agrarbranche aktiven Großunternehmen und Großinvestoren einmal
ganz zu schweigen. Das schlägt sich nicht nur in der Kürzung oder
Nichteinhaltung von Entwicklungshilfeverpflichtungen (die ohnehin
meistens in die Kassen der im zahlenden Land ansässigen Konzerne
wandern) nieder, sondern auch im Phänomen des „Land Grabbing“.
Unter
„Land Grabbing“ ist der Kauf von teilweise riesigen Flächen durch
transnational agierende Agrarkonzerne zu verstehen. In diesen Gebieten
werden dann für den Weltmarkt geeignete „cash crops“ angebaut, also
sowohl pflanzliche Rohstoffe (Biosprit!) als auch ernährungspolitisch
wichtige Pflanzen. Zu sehen ist das Phänomen vor dem Hintergrund von
Überbevölkerung, Ernährungskrise und Verknappung von Agrarflächen. Seit
2006 sind nach Angaben der Vereinten Nationen bis zu 20 Millionen Hektar
Anbaufläche von ausländischen Investoren aufgekauft oder langfristig
gepachtet worden. Das entspricht einem Drittel der landwirtschaftlich
genutzten Fläche in der EU.
Die
ohnehin schon auf knappe Anbauflächen angewiesene einheimische
Bevölkerung sieht von den Profiten wenig, und die erzeugten
Nahrungsmittel werden exportiert. Während die Gewinne in den Taschen der
Agrarmultis und Handelskonzerne sowie korrupter Drittweltregierungen
verschwinden, kann sie sich (wenn überhaupt) als Tagelöhner mit
Hungerlöhnen durchschlagen. Im ungünstigeren Fall wird sie wie in Kenia
von Polizei, Militär und gekauften Milizen kurzerhand von ihrem
angestammten Land vertrieben und vegetiert fortan in den stetig
wachsenden Slums dahin. Gleichzeitig verschärft sich binnen kurzer Zeit
die wirtschaftliche und damit politische Situation gerade in vielen
afrikanischen Staaten, die schon vor derartigen Geschäften ihre
Bevölkerung nicht ernähren konnten. Zu den Akteuren des „Land Grabbing“
gehören dabei nicht nur Unternehmen aus dem Westen, sondern ebenso
Investoren aus Saudi-Arabien, Südkorea und nicht zuletzt auch die
Volksrepublik China. Die betreffenden Regierungen wirken dabei
unterstützend, kann doch durch „Land Grabbing“ auch die eigene
Ernährungssicherheit gefördert werden. Die deutsche Bundesregierung
steigt wohl auch bald ein, denn ihre Entwicklungspolitik soll künftig
der offenen Förderung wirtschaftlicher Interessen dienen. Ziel sind
zunächst die Energieressourcen Westafrikas, also beispielsweise Nigeria,
Äquatorial-Guinea und Ghana. Gerade letzteres Land ist stark im „Land
Grabbing“ engagiert, und so lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer
Klappe schlagen.
Welches
Ausmaß derartige Projekte annehmen können, zeigt beispielsweise
Äthiopien. Obwohl hier 31 Prozent der Bevölkerung akut von einer
Hungerkatastrophe bedroht sind, verpachtete oder verkaufte die Regierung
mit 500.000 Quadratkilometern rund 44 Prozent des gesamten
Staatsgebietes an Investoren aus Saudi-Arabien. Auch im Sudan, dessen
Staatschef Bashir 900.000 Hektar bestes Farmland auf 99 Jahre verpachten
will, sind die Saudis vorne dabei. (Die Separatisten im Süden sind
allerdings auch nicht viel besser: Sie haben 400.000 Hektar an
US-Investoren verkauft.) Hintergrund ist die Verknappung von
Agrarflächen und Wasserreserven in Saudi-Arabien, für die nun die
Bevölkerung Äthiopiens einen hohen Preis zu zahlen hat. In Madagaskar
kam es Anfang 2009 nach dem Verkauf eines Gebietes von der Größe
Belgiens (50 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutfläche) an den
koreanischen Daewoo-Konzern zu schweren Unruhen und zum Sturz des
Präsidenten Ravalomanana. Die Intensivierung des Bürgerkrieges zwischen
den maoistischen Naxaliten und der indischen Zentralregierung ist
ebenfalls auf „Land Grabbing“ zurückzuführen, da die indische Regierung
riesige Landstriche, Wasservorkommen und Wälder an internationale
Investoren verkauft und der Landbevölkerung schlichtweg die
Existenzgrundlage nimmt.
Nicht
nur in den hiesigen Medien hält sich die Kritik in Grenzen, auch von
der UNO ist wieder einmal nicht viel zu erwarten. Die
Welternährungsorganisation FAO beispielsweise veröffentlichte Mitte 2009
eine Studie, in der auf die angeblichen segensreichen Folgen des „Land
Grabbing“ hingewiesen wurde. Die Großprojekte brächten ja die
Erschließung von Agrarflächen, Infrastrukturinvestitionen und
Bauaufträge mit sich. Nicht berücksichtigt wurde, dass die meisten
dieser Verträge unter strikter Geheimhaltung ausgehandelt werden,
teilweise auch mit keiner politischen Kontrolle unterliegenden
Regierungen. Gerade in Afrika sind Grundbucheinträge weitgehend
unbekannt, und das Land gehört letztendlich dem Staat. Da wundert es
nicht, dass „Land Grabbing“ auf dem FAO-Gipfel im Februar 2010 nicht
einmal erwähnt wurde. Immerhin bequemte sich FAO-Chef Jacques Diouf,
derartige Wirtschaftsbeziehungen als „neokoloniales System“ zu
bezeichnen.
Brechen
die ohnehin angeschlagenen Staaten dann zusammen, droht ihnen die
Abhängigkeit von IWF und Weltbank, die zu teilweise brutalen
„Strukturanpassungsprogrammen“ greifen und dabei die postkolonialen
Ökonomien doch nur weiterhin zu deklassierten Zulieferern des
Weltmarktes machen. Noch schlimmer kann es kommen, wenn Großmächte wie
die USA oder die EU ihre geostrategischen und wirtschaftspolitischen
Interessen gefährdet sehen: Dann droht eine wie auch immer verbrämte
militärische Intervention, die das Land zu einem Protektorat
herabdrückt. Diese Neukolonisierung der durch die koloniale und
postkoloniale Politik des Westens ruinierten Staaten findet seit einiger
Zeit auch in Deutschland ihre Fürsprecher, so beispielsweise in der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ oder in der „Welt“, aber auch in
akademischen Kreisen und in Positionspapieren von EU und CDU, die eine
auch militärische Sicherung wirtschaftlicher Interessen vorsehen. In den
USA fordern Ökonomen wie Paul Romer bereits die Einrichtung von
„Charter Cities“ in der „Dritten Welt“. Hierbei handelt es sich um
privat finanzierte Industrie- und Handelsniederlassungen, die quasi
unter internationaler Kontrolle und auch internationalem Schutz stehen.
Hierfür verkauft ein Entwicklungsland eine unbesiedelte Fläche und
verzichtet für eine vertraglich festgelegte Zeit auf seine
Souveränitätsrechte, um in den Charter Cities die Keimzelle einer
ökonomistisch-autoritären Entwicklungsdiktatur zu legen und – vor allem –
um die Taschen der investierenden Konzerne zu füllen.
Der
Fond für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) geht davon aus, dass
die Preise für Lebensmittel bis 2020 um bis zu 27% steigen werden. Auch
weiterhin werden Investoren Land in Afrika aufkaufen, um es zugunsten
der „entwickelten Länder“ wie auch der Schwellenländer zu
bewirtschaften.
Hier
kann von einem Neokolonialismus gesprochen werden, der die finanzielle
Notlage gerade der afrikanischen Staaten ausnutzt und letztlich
Bestandteil eines Teufelskreises ist: Abhängigkeit vom Weltmarkt –
wirtschaftliche und finanzielle Probleme – ungünstige Geschäfte wie
„Land Grabbing“ oder wirtschaftliche Liberalisierung – Destabilisierung
bis hin zum staatlichen Kollaps. Bereits jetzt werden vom US-Think Tank
„Fund for Peace“ rund zwanzig afrikanische Länder als „Failed States“
gehandelt; damit ist „Land Grabbing“ ein Aspekt der einen gesamten
Kontinent ruinierenden Strukturen des kapitalistischen Weltsystems.
Dr. Bakterius
Folgender Artikel erschien im Jahr 2010 im nationalrevolutionären “Fahnenträger”